Allgäuer Philosophe-Däg: Tourischte



Kennet ihr die Allgäuer Philosophe-Däg ? Noi ? Ja dann loset mol zue:
Schorsch ond Kare machet jeden Migde, bevor si in d Sonne bei dr Lizzy eikehret, a kleins Spaziergängle. Desmol gand se auf Kalde naus, zur Burgruine, standet voana ans Gländer na ond lueget zum Illardurchbruch na. Des isch allat meh a wunderschienar Anblick.
Noch ar Weile mit genussvollar Rueh, het ma zmol vom Parkplatz dienet Leit schwätze. So noranand kut do a ganzar Trupp mit rüschtige Rentnar drher. Mit Steacke, Bergschueh ond große Hüet rollt die Lawine grad auf Schorsch ond Kare zue. Leabhaft gohts her, es wiad gschwätzt ond glachet, Fotos wearet gmacht ond Ferngläser rauszoge.
Well se dann s Brotzeite afanget ond ibrall rumstriehlet, wiads deane zwoi z viel ond se gand woile de Fußweg noch Briels na, in der Hoffnung, dass des deane Ausflüglar zu anstrengend wär, au do det nazumkomme.
In Briels standet se so grad a Viertelstündle dond am Illarufer, do kommet scho die eschte Rentnar agschnaufet, ond wieder goht der Rummel los.
De Schorsch packt de Kare am Ärmel ond zieht n übers Bächle, dur a paar Bösche ond dann auf am Rehpfad die steil Bergflanke nauf. Hofele häzet se noranand nauf bis se oba an dr Kante, wo es senkrecht zur Illar na goht, akommet. Do stoht an altar Gedenkstoi vo dr eschte Burg Kalden. Von der Anlage isch nix meh zu seah, die sich scho längscht in d Illar nabroche. Unter große Wuzla lueget no a paar oinzelne Stoi raus, des isch alls.
So, do hoba hand se endlich ihre Rueh, an dean Ort kut kaum mol ebbar, Gottseidank.
Zfriede loinet se an an Baum ond freiet sich an der Stille ond de Sonnestrahla, die dur d Äscht durkommet.
"Endlich a Rueh, mei, duet des guet", moint de Kare erleichtret, "so a Bagasch, wo sind denn blos die zmol herkomme ?" De Schorsch kretzt sich an dr Näs ond sait: "Des wiad halt halt a Bus voll Tourischte gweah sein, die an Zwischbestopp aufm Weg noch Neuschwanstein machet. Aber grad du brauchsch di ja it beschwere, gell, mit deim Reisebüro duesch du dean Rummel gherig unterstütze!"
De Schorsch schaudrets bei deam Gedanke an die Heife Leit. "Noi, noi", widerspricht de Kare, "I mit meim Reisebüro lueg ja grad, dass die Leit möglichscht weit fut vom Allgäu kommet. Sollet se doch auf d Malediven fliege ond det die Insla überschwemme. Je meh Leit bei mir buechet, um so weniger tramplet se bei eis Drhoi rum. So isches, Schorsch, grad hinderfier, wie du moinsch, kasch mer also dankbar sei."
De Schorsch lachet. "Do duesch ja du mit deim Reisebüro no a guets Werk, sappradie, des ha i no gar it gwisst, dass dei Gschäft a Wohltätigkeitsverei isch. Du bisch halt a grundguetar Kerle ond denksch blos an mi ond mei Rueh, gell. Aber los, woher kut dann der Bus vollar Wiattebergar, der do grad agrollt isch, ha ? Hosch mer die it umleite könne ? Ond des isch ja it de escht Bus, der drher kut, ahebe wiads allat meh, de ganz Fleacke isch mit Fremde überloffe. Parkplätz kriegsch koi, ibrall laufet Leit mit Bergschueh ond Rucksäck omanand, Tirolarhüet ond Trachtehäs hand se a, aber schwätze dond se Hochdeutsch, Wiattebergisch oder no was Minders, halt blos it so wie mir."
De Kare verzieht s Gsicht ond moint: "Ja, do ka i frei nix drfür, des kut vo deam ganze Kluftinger-Rummel ond vo de Freilichtspiele. Altusried isch ja ahebe so berühmt, das ma des Dorf ibrall kennt im ganze Land, bis in die letschte Winkel nei. A Wahnsinn isch des. Ond dann kuts eabe so weit, dass ma nina meh sei Rueh hot, well ibral Tourischte rumspringet, gell."
"Do hosch reacht, Kare, des wiad allat verruckter", pflichtet de Schorsch bei, "ma merkts ja au in dr Sonne, do kommet allat no meh Gäscht. A gmietliche, verschlofene Dorfwiatschaft isch was anders." - "Na, na, gmietlich isches allat no, bei dr Lizzy, so isch it. Mir hand ja eisern Tisch im Winkl ond d Katespielar sind au no omanand, so wie sich s ghert. Muesch natürle au denke, dass die Fremde guet fürs Gschäft sind ond viele Leit an Verdiescht vo deane hand. D Fremdezimmer sind ausbuchet ond jedar vermietet no sei letschte Rumpelkamar, weil d Nochfrog so groß isch. Des isch natürle scho au guet, gell."
De Kare hot do an reachte Blick für d Gschäftsleit ond die kennet bei eis scho zfriede sei.
De Schorsch ma des it so, ar moint:"Jo, dann simmer bald au so a künstliches, auf urig gstyltes Tourischteneascht wie Oberstaufe oder so, des dät mer ja no fehle. Do zellt dann blos no s Gschäft, aber normal leabe kasch do numma. Alls voll mit haltlose ond reiche Leit, a falsches ond hoffettiges Getue, na danksche. A Gschäft isch guet, aber wenns dann so wiad, bin i numma drfür. Im ganze Allgäu dond se ja wie verruckt mit de Tourischte. Jeds Wegle wiad verbroitret, alls wiad zuebaut, ein Brezgemaat, wo de naluegesch. Alls auf vorneahm gmacht, so sauber-ruschtikal, wie es in Echt no nie bei eis war. Wo friehner de Bauer im Stallhäs mitm Simca in Fleacke komme isch, verstopfet iatz die fette Daimler ond Audi alle Stroßa. A normalar Bulldog isch numma zum seah, blos no die riesige Fendt-Rennmaschina. Wenn oinar no a bitzle normal isch, der wiad dann glei vo alle als Urviech aglueget, der isch dann a Tourischte-Attraktion. Schlimm isch des, es goht halt blos ums Gschäft."
De Kare nickt nochdenklich. "Ja, Schorsch, do isch scho was dra. Leider könnet mir es it aufhalte. Die Entwicklung goht weiter." - De Schorsch kut in Fahrt: "Woll, woll, weiter gohts. Iatz kut ja der ganze Öko-Mischt no drzue. Wo it grad was für d Tourische zuebaut wiad, stellet so no a Windrad na, in de letschte riebige Winkel im Wald ond auf de Bückel. Des Wort Nachhaltigkeit ka i numma höre, se sottet scho au sage, was se wirklich moinet: nämlich Profit, nix anders. Auf dr oine Seite sind die Tourischte-Profis mit m Silbereisen im Gepäck ond auf dr ander Seite die Öko-Profis, die im Name vo dr Umwealt viel hie machet ond drmit an Haufe Geald verdienet. Die buchet dann bei dir die teure Urlaube in aller Welt ond fahret an Orte, wo se seal die Sau-Windräder, die se eis vor d Näs stellt hand, it seah miesset, gell."
De Schorsch macht a kuze Pause. Wenn ar so in Fahrt kut, dann kut moischtens no a Gschicht drzue, ond so isch es au heit. De Schorsch holet aus:
"Also, Kare, wenn des so weitergoht, dann wiads im Allgäu so weit komme, wie in meinar Gschicht. Los her, am Grüntesee wiads sei, in a paar Johr. A Wanderar goht am Ufer spaziere, natürle mit seine nuie Walking-Stöck ond Goretex-Häs, des isch ja klar. Grad dass ar zum Spaziere no koin Helm ond Kieschützar ahot, aber des wiad m d Freizeitindustrie scho au no beibringe, dass ar des no briecht.
Do hert ar zmole mibba aufm See dussa ebban schreie. Do zwabslet oinar im Wasser ond schreit um Hilfe. Bluetsauerei, denkt sich der Wandrar, do dussa versauft grad oinar, ond m Dialekt noch isches a Landsma vo mir (ar kut aus Norddeutschland). Was soll i denn blos do ?
Do sieht ar a Stückle weiter drvoand an Fischar neabe seim Boot am Ufer hocke. Gmietlich sieht ar aus, der Ma, a Halbe neabe sich, an Filzhuet aufm Grind. Wie der Wanderar näher kut, sieht ar, dass der Fischar an Tablet-Computar aufm Schoss hot ond konzentriert aufm Schirm rumdruckt. Hallo, ruft de Wanderar glei zu eam numm, schnell guter Mann, Sie müssen helfen! Der Fischar lueget a bizle widerwärtig vom Tablet auf. Gang zue, lass mi in Rueh, sait ar brummlig. Nein, guter Mann, da draussen auf dem See ist jemand am Ertrinken, Sie müssen sofort mit Ihrem Boot hinausfahren und ihn retten! De Wanderar isch derweile beim Fischar akomme.
Was ? So, ja, des isch grad erbar ungünschtig, sait de Fischar. Well i muess mi gschwind no um meine Mails wegs de Ferienwohnunga kümmre. Suscht goht mer a Haufe Geald hindanum.
Aber nein, hier geht es um Sekunden, kommen Sie, schnell, schnell...schreit der Wanderer aufgeregt und denkt sich, das gibt es doch nicht. De Fischar juckt des überhaupt it. Iatz amole hofele, sait ar, umsuscht isch de Tod ond au der koscht s Leabe. Wenn i iatz do nausfahre soll, zum Healfe, dann muss frei scho was rausspringe für mi. I bi im Tourismusgschäft, do geits nix umsuscht, ma hot schliesslich au seine Unkoschte ond des it wenig. Also, wie siehts do aus, ha ?
De Wanderar kruschtet hektisch in seim Gealdbeutel ond hollet an Zehnar raus. De Fischar winkt ab: kasch vergeasse, des roicht it. De Wanderar kuschtlet nommol rum ond findt no an Fünfar. Das ist alles, was ich habe, nehmen Sie und los, kommen Sie! De Wanderar zieht de Fischar aufs Boot. It grad übernum woile fahret se endlich auf de See naus. Wie se dann dean in Not grotene Mensche verroichet, isch der scho tot, grad ebae gschtorbe in der Zeit, wo se weags m Geald verhandlet hand."
De Schorsch isch mit seinar Gschicht fetig. "So isch dr Trend, Kare, wiasch seah. Des isch mei Horror-Vorstellung vo eisrem schöne Allgäu: überloffe vo Tourischte, bewohnt vo Geldgierige Gschäftemachar, die suscht nix meh intressiert."
De Kare moint: "Ja, leider simmer numma weit weg vo deinar Gschicht."
Aufm Ruckweg zum Parkplatz nauf isches meh riebiger wore, die Reisegruppe isch weitergfahre, Neuschwanstein zue. Kare ond Schorsch rummet no de Abfall auf, der ibrall rumflacket, dann gand se gmietlich in de Fleacke zruck, in d Sonne, wie allat.





Die Geschichte in Hochdeutsch

+ Kennen Sie die Allgäuer Philosophen-Tage ? Nein ? Dann hören Sie mal zu:
Schorsch und Kare machen jeden Mittwoch, bevor sie ins Gasthaus "Sonne" einkehren, einen kleinen Spaziergang. Diesmal gehen sie hinaus nach Kalden, zur Burgruine, stehen vorne ans Geländer und blicken zum Illerdurchbruch hinab.
Es ist ein besonders schöner Platz.
Nach einer Weile genussvoller Ruhe hört man plötzlich am Parkplatz drüben Stimmen. Eine ganze Gruppe rüstiger Rentner nähert sich langsam. Mit Stöcken, Bergschuhen und großen Hüten rollt die Lawine genau auf Schorsch und Kare zu. Lebhaft wird geschwatzt und gelacht, Fotos werden gemacht und Ferngläser herausgezogen.
Als sie dann zu Picknicken beginnen und überall herumtrampeln, wird es den beiden zu viel und sie gehen schnell den Fussweg nach Briels hinab, in der Hoffnung, dass diese Strecke den Ausflüglern zu anstrengend wäre.
Gerade stehen sie eine Viertelstunde in Briels am Illerufer, da kommen bereits die ersten Rentner schnaufend und schwatzend an und schon wieder beginnt der Rummel.
Schorsch packt Kare am Arm und zieht ihn über den Bach, durch ein paar Büsche und dann auf einem Rehpfad den steilen Hang hinauf. Vorsichtig klettern sie bis nach oben, an die steil zur Iller abfallende Kante.
Dort steht ein alter Gedenkstein von der ersten Burg Kalden. Von der Anlage selber ist nichts mehr vorhanden, sie ist schon längst in die Iller hinabgestürzt. Unter einer großen Wurzel schauen noch ein paar Steine hervor, das ist alles. Hier oben haben sie endlich Ruhe, an diesen Ort kommt selten jemand, Gottseidank.
Zufrieden lehnen sie sich an einen Baum und erfreuen sich an der Stille und den Sonnenstrahlen, die durch das Geäst dringen. "Endlich Ruhe, Mann, das tut gut," meint Kare erleichtert, "so eine Bande. Wo die wohl plötzlich hergekommen ist ?" Schorsch kratzt sich an der Nase und sagt: "Das wird wohl ein Buss voller Touristen gewesen sein, die hier einen Zwischenstopp auf dem Weg nach Neuschwanstein machen. Aber ausgerechnet du brauchst dich ja nicht zu beschweren, denn mit deinem Reisebüro unterstützt du ja diesen ganzen Rummel!" Schorsch schaudert es noch bei dem Gedanken an die vielen Menschen. "Nein, nein", widerspricht Kare, "ich mit meinem Reisebüro sorge ja gerade dafür, dass die Leute möglichst weit weg vom Allgäu kommen. Sollen sie doch auf die Malediven fliegen und dort die Inseln überschwemmen. Je mehr bei mir buchen, umso weniger trampeln sie bei uns hier herum. Schorsch, du kannst mir also dankbar sein!" Schorsch lacht. "Da tust du ja mit dem Reisebüro noch ein gutes Werk, Wahnsinn, das war mir gar nicht bewusst. Dein Reisebüro ist eine Art Wohltätigkeitsunternehmen. Du bist ja so ein guter Mensch, Kare und denkst nur an mich und meine so geliebte Ruhe, was ? Aber, woher kommt dann der Bus voller Württemberger, der hier sobeben anrollte ? Hast du den nicht umleiten können ? Und es ist ja nicht der erste Bus, der ankommt, es werden ja immer mehr, der ganze Ort ist von Fremden überschwemmt. Parkplätze bekommt man keine mehr, überall laufen Leute in Bergschuhen und mit Rucksäcken herum. Sie reden in allen Dialekten, nur nicht so, wie bei uns Daheim."
Kare verzieht sein Gesicht und meint: "Ja, da kann ich nichts dafür, das kommt vom ganzen Kluftinger-Rummel und von den Freilichtspielen. Altusried ist ja bereits so berühmt, dass man das Dorf im ganzen Land kennt. Ein Wahnsinn ist das. Deshalb kommt es eben so weit, dass man hier nirgends mehr seine Ruhe hat, weil überall Touristen unterwegs sind. "
"Du hast recht Kare, es wird immer verrückter", pflichtet Schorsch bei, "ich merke es ja auch in der "Sonne", es kommen immer mehr Gäste. Eine gemütliche, verschlafene Dorfwirtschaft ist das nicht mehr." - "Na, na, gemütlich ist es in der Sonne noch immer. Wir haben unseren ruhigen Winkel und die Kartenspieler kommen auch noch, so wie es sich gehört.
Natürlich musst du bedenken, dass es gut für das Geschäft ist für viele im Dorf. Die Fremdenzimmer sind ausgebucht, und jeder vermietet noch die letzte Rumpelkammer, weil die Nachfrage so gross ist. Das ist schon was Positives, oder ?"
Verständlicherweise hat Kare einen Blick für die Geschäftsleute hier und die können schon zufrieden sein.
Dem Schorsch gefällt das nicht so, er meint: "Ja, und dann sind wir auch bald so ein künstlich gestyltes Touristen-Nest wie Oberstaufen, das würde mir gerade noch fehlen. Da zählt nur noch der Umsatz, normal leben kann man dort nicht mehr. Alles voll mit kaputten Typen und Reichen, ein falsches und arrogantes Getue, nein danke. Geschäft ist gut, aber wenn es dann so ausartet, bin ich nicht mehr dafür. Im ganzen Allgäu macht man alles für die Touristen. Jeder Pfad wird verbreitert, alles wird verbaut, ein Riesenzirkus, wo man hinschaut. Alles auf vornehm gemacht, sauber-rustikal, wie es in Wirklichkeit nie war. Wo früher der Bauer mit seinem alten Simca fuhr, verstopfen jetzt die Daimler und Audis alle Strassen. Ein normaler Traktor ist kaum noch zu sehen, nur diese riesigen Renn-Panzer.
Wenn einer noch ein bisschen normal ist, dann wird er sofort als echtes Urviech bezeichnet, er ist dann eine Touristenattraktion, so schlimm ist es geworden. Es geht doch nur ums Geschäft."
Kare nickt nachdenklich. "Ja, Schorsch, da ist etwas dran. Leider können wir es nicht aufhalten, die Entwicklung geht weiter."
Schorsch kommt in Fahrt: "Jawohl, weiter gehts. Jetzt kommt der ganze Öko-Mist noch dazu. Wo nicht gerade für den Tourismus Fläche verbaut wird, stellen sie ein Windrad auf. In den letzten einsamen Winkel im Wald und auf den Hügeln. Das Wort "Nachhaltigkeit" kann ich nicht mehr hören. Sie müssten schon erklären, was sie wirklich meinen: nämlich Profit, nichts anderes. Auf der einen Seite stehen die Tourismus-Profis mit einem Silbereisen im Gepäck und auf der anderen Seite die Öko-Profis, die im Namen der Umwelt alles zerstören und einen Haufen Geld dabei verdienen. Diese Leute buchen dann bei dir teure Reisen, weil sie selber natürlich nicht dort Urlaub machen wollen, wo ihre Windräder stehen."
Schorsch macht eine kurze Pause. Wenn er so in Fahrt kommt, gibt es meist noch eine Geschichte dazu, und so ist es auch heute. Schorsch beginnt:
"Also Kare, wenn das alles so weitergeht, dann wird es im Allgäu so weit kommen, wie in meiner Geschichte. Hör zu: Es war am Grüntensee. Ein Wanderer geht am Ufer spazieren, natürlich mit Walking-Stöcken und Gore-Tex-Kleidung, das ist ja klar. Plötzlich hört er mitten auf dem See jemanden rufen. Dort draussen zappelt eine Person im Wasser und schreit verzweifelt um Hilfe. Mist, denkt sich der Wanderer, da ertrinkt jemand gerade. Dem Dialekt nach ist es ein Landsmann von mir, aus Norddeutschland. Was soll ich nur tun ?
Da sieht er am Ufer, ein Stück weiter vorne einen Fischer am Ufer neben einem Boot sitzen.
Romantisch sieht er aus, der Einheimische: eine Flasche Bier neben sich, einen alten Filzhut auf dem Kopf. Wie der Wanderer näher kommt, erkennt er, dass der Fischer einen Tablet-Computer auf seinem Schoss hat und konzentriert damit arbeitet. Hallo, ruft der Wanderer ihm sofort zu, schnell, guter Mann, Sie müssen helfen! Der Fischer blickt unfreundlich vom Tablet auf. Geh zu, lass mich in Frieden, sagt er. Nein, guter Mann, da draussen auf dem See ist jemand am Ertrinken! Sie müssen sofort mit dem Boot hinausfahren und ihn retten! Inzwischen ist der Wanderer neben dem Fischer angekommen.
Was ? Ach so, ja, das ist jetzt aber sehr unpassend, sagt der Fischer. Ich muss mich schnell noch um meine Mails wegen der Ferienwohnungen kümmern, sonst verliere ich eine Menge Geld.
Aber nein, hier geht es um Sekunden, kommen Sie schnell, schreit der Wanderer erschrocken. Er denkt sich, das kann doch nicht wahr sein, dieses Verhalten. Den Fischer stört das überhaupt nicht. Jetzt mal langsam, sagt er. Umsonst ist der Tod und auch der kostet das Leben. Wenn ich hinausfahren soll, muss es sich rentieren, finanziell, verstehen Sie ? Ich bin im Tourismusgeschäft, da gibt es nichts umsonst. Also, wie sieht es aus ? Der Wanderer sucht hektisch nach seiner Geldbörse und zieht einen Zehner hervor. Der Fischer winkt ab: kannst du vergessen, so billig gehts nicht. Der Wanderer sucht nochmal alles durch und findet noch einen Fünfer-Schein. Das ist alles, was ich gerade habe, nehmen Sie, und los, kommen Sie! Er zieht den Fischer auf das Boot. Nicht gerade besonders eilig fahren sie endlich auf den See hinaus. Wie sie den in Not geratenen Menschen erreichen, ist dieser bereits tot, ertrunken, während sie um das Geld verhandelten."
Schorsch ist mit seiner Geschichte fertig. "So ist der Trend, Kare, wirst sehen. Dies ist meine Horror-Vorstellung von unserem schönen Allgäu: überschwemmt von Touristen, bewohnt von geldgierigen Geschäftemachern, die ausser Profit und Geschäft nichts mehr interessiert."
Kare meint: "Ja, leider sind wir nicht mehr weit davon entfernt, von dieser düsteren Geschichte."
Auf dem Rückweg zum Parkplatz hinauf ist es wieder ruhig geworden, die Reisegruppe ist weitergefahren, auf Neuschwanstein zu. Kare und Schorsch räumen noch den überall herumliegenden Abfall auf, dann gehen sie gemütlich ins Dorf zurück, zur Sonne. Wie immer.